Zwischen Instinkt und Vernunft
ist jedes Handeln - privat wie geschäftlich -
Ethik unterworfen

K5 - Information 2 l 2023

In unserem Leben nehmen Egozentrik und Narzissmus mehr und mehr Platz ein.
Sie fördern den Hang zur Unversöhnlichkeit.
Es gibt Auswege. Die schauen wir uns an.
 

Die Sehnsucht nach Versöhnung


Ostern ist ein Fest der Familie und für die Familie, weil es ein Fest der Zusammengehörigkeit, ein Fest des Wohlwollens zueinander und ein Fest der Offenheit und Ehrlichkeit miteinander darstellt. Diese Zeit steht für den Aufbruch zum Guten. Nach dem Winter erwacht die Natur. 
Die Botschaft dahinter lautet: Wenn alles rund um uns auch noch so düster aussieht, irgendwie geht es weiter, es besteht immer die Hoffnung, dass alles wieder gut wird. Dieses Vertrauen in die Zukunft ist die Triebfeder für Zuversicht und ein positiv ausgerichtetes Leben. Das Gegenteil heißt Verzweiflung und Depression. Ernst Bloch spricht davon, dass das Hoffen in das Gelingen verliebt ist, nicht in das Scheitern.

In unserem täglichen politischen Leben spielen Optimismus und der Wille zur Versöhnung  keine besonders große Rolle. Hier steht oft Egozentrik, gepaart mit einem ausgeprägten Hang zur Unversöhnlichkeit, im Vordergrund. Das lässt sich gut im Umgang mit drei großen Themen der Zeit beobachten: dem Krieg in der Ukraine, der Covidpandemie und der Klimaveränderung. In allen drei Feldern kommt es immer wieder zu einer Verhärtung der unterschiedlichen Standpunkte. Die Bereitschaft, die Positionen auszutauschen, tolerant und wertschätzend miteinander darüber zu diskutieren und am Ende vielleicht einen gemeinsamen gangbaren Weg zu finden, ist gering.

Wer den Angriff auf die Ukraine verurteilt, für Waffenlieferungen an Kiew ist, aber gleichzeitig auch für die baldige Aufnahme von Friedensverhandlungen, gilt in unserer polarisierten Welt als Putin-Versteher. Wer einzelne politische und epidemiologische Maßnahmen in der Covidpandemie infrage stellt, wird in das Eck der Coronachaoten gedrängt. Wer auch nur leise Zweifel an der völligen Umstellung auf Elektromobilität in wenigen Jahren äußert, gerät in Verdacht, ein Klimaleugner zu sein. Umgekehrt gilt als Klimakleber, wer Verständnis für die Proteste junger Menschen auf der Straße äußert.
Die zunehmende Dialog- und Kompromissunfähigkeit geht auch auf ein Phänomen zurück, das der Neurowissenschaftler Raphael M. Bonelli „moralischen Narzissmus“ nennt. Dieser zeichne Menschen aus, „die ihre Anschauung dermaßen idealisieren, dass sie für sie immer mehr zur einzig möglichen Meinung, ja zur Wahrheit schlechthin wird“.
Das selbstherrliche Lamentieren mit erhobenem Zeigefinger darüber, was richtig und was falsch, was gut und was schlecht, was korrekt und was nicht korrekt sei, bringt die Ränder der Gesellschaft nicht näher zusammen, sondern treibt sie weiter auseinander. Der Verlust der Mitte ist voll im Gang.
Wir können ihn aufhalten, wenn wir mehr mit - statt übereinander reden. Wenn wir Feste wie Ostern dazu nützen, um auf unsere Mitmenschen zuzugehen und den Dialog mit ihnen aufzunehmen. Wir können der Politik vorleben, was wir unter der Kunst der Versöhnung verstehen. Die gelingt, wenn ehrliche Bereitschaft zur Vergebung da ist. Es darf am Ende nicht Sieger und Verlierer geben. Das wiedergewonnene Miteinander ist der Sieg.